Der Heilsbringer mit der Glücksformel
Via Wiener Zeitung
APA / Herbert Neubauer
Von Andreas Rauschal
Es beginnt mit einem auf die Bühne gestellten Küchentisch und David Byrne in der Rolle als Dichter und Denker. Der hält zwar ein künstliches Gehirn in der Hand, nützt diese Beinahe-Analogie zum Auftakt mit dem in sich ruhenden neuen Stück "Here" dann aber doch nicht dazu, den Hamlet zu geben.
Bereits bei Song Nummer zwei auf der Setlist ist man am Dienstag im Wiener Museumsquartier in der restlos ausverkauften Halle E allerdings beim wahren Kern des Abends angelangt. David Byrne, der Vordenker seiner Talking Heads und der Pop-Avantgarde der 70er Jahre zwischen New Wave, heiterer Trans- und No-Border-Folklore und jeder Menge Groove samt Kunststudenten-Hintergrund und Spaß dabei, definiert hier im Stück "Lazy" von 2004 eine heute in jeder Hinsicht selten gewordene Glücksformel.
Headset-Performance
Sie kommt als knapper Abzählreim daher und fokussiert zusätzlich die Körperregion vom Beckenknochen abwärts: "Wouldn’t it be mad, wouldn’t it be fine. Lazy, lucky lady, dancin’, lovin’ all the time." Müßiggang ist in Zeiten von "Es ist Zeit" nicht nur selten, nein, er ist heute ein vom Aussterben bedrohtes Kulturgut, dessen Niedergang man als Hamster im Rad immer auch selbst mitbeschleunigt - weil das System keinen Notausgang hat.
Jedenfalls ist David Byrne nicht nur gekommen, um mit dem richtungsweisend betitelten Album "American Utopia" seinen ersten Solostreich seit vierzehn Jahren vorzustellen, der heuer auch eine Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit seinem alten Produktionspartner Brian Eno markierte. Der vitale 66-Jährige mit dem kreisenden Hüftschwung, barfuß tänzelnd im Sonntagsanzug, ist aktuell auch mit seinem Programm "Reasons To Be Cheerful" (Gründe, fröhlich zu sein) als Vortragsreisender unterwegs, der dem Guten und dem Richtigen in dieser Welt zuarbeiten will.
Entsprechend erlebt man live in Wien auch einen Performancekünstler mit Headset, dessen ehrliches Engagement die künstlerische Inszenierung im Graubereich zwischen Motivationstrainer-Kurs, Wander-Predigertum und einem zweiten Standbein als Heilsbringer-Guru aus dem Frühstücksfernsehen mitdenkt.
Mit dem Hinweis auf eine Initiative zur US-Wählerregistrierung und einer knappen Zwischenrede legt der Mann hier nicht zuletzt die Brücke vom ganz Großen, der Weltpolitik aus "America first"-Perspektive, ins ziemlich Kleine und gleichfalls sehr Kleingeistige, wie man es in Österreich kennt: "I am verry worried about what’s happening in the USA right now. I’m very worried about what’s going on in Austria, too."